Papst Franziskus – Versuch eines persönlichen Rückblicks
Ich sehe ihn noch auf die Loggia treten und mit einem freundlichen Abendgruß sowie der Bitte um das Gebet für ihn sein Amt eintreten. Ein Papst vom anderen Ende der Welt – wie er scherzhaft bemerkt.
Was habe ich mich über diese Wahl gefreut: ein Argentinier nach dem deutschen Papst, der zuvor als Leiter der Glaubenskongregation der lateinamerikanischen Befreiungstheologie den Kampf angesagt hatte! Der Name FRANZISKUS ist Programm: ein Papst, der die Option für die Armen zur Tat macht – seine erste Reise geht zu den Flüchtlingen nach Lampedusa. Den römischen Obdachlosen erteilt er Aufenthaltsrecht in den römischen Kolonnaden auf dem Petersplatz – so manch einer in der Kurie rümpft die Nase.
2015 dann die großartige Enzyklika Laudato Si, in der Papst Franziskus Schöpfungsverantwortung und Verantwortung für Gerechtigkeit und Frieden miteinander verknüpft. Endlich ein klares politisches Statement, das sich den drängenden Herausforderungen der Zeit stellt. Auch seine nächste Enzyklika Fratelli Tutti2020 lässt keinen Zweifel an seiner eindeutigen Option für die Armen. Diese Linie setzt er noch einmal fort mit seiner im Oktober 2024 verfassten Enzyklika Dilexit nos, in welcher er auf die mystische Tradition der Herz Jesu Spiritualität zurückgreift, um aufzuzeigen, dass aus der unendlichen Liebe, die Jesus uns Menschen hat zukommen lassen, eine Antwort der Liebe hervorgehen kann, die den Primat der Liebe lebt – entgegen allen Prinzipien des Egoismus, Kapitalismus, Klassismus, Rassismus…
So mag es kein Zufall sein, dass die letzte theologische Auseinandersetzung von Papst Franziskus dem von JD Vance behaupteten Ordo der Liebe galt: im angeblichen Rückgriff auf Augustinus hatte JD Vance behauptet, dass es eine Ordnung der Liebe gäbe, wonach man zunächst seine eigene Familie, seine Freunde, sein Land lieben könne, aber eben nicht alle Menschen. Dem hatte Papst Franziskus in einem Schreiben an die amerikanischen Bischöfe eine klare Absage erteilt, indem er auf das jesuanische Gleichnis vom barmherzigen Samariter verwies: Nächstenliebe muss denen zukommen, die der Hilfe bedürfen – alles andere ist getarnter Egoismus!
Klar hätte ich mir gerade als Frau in der Kirche vom Papst im 21. Jahrhundert endlich auch innerkirchliche Reformen wie veränderte Zugangswege zum Priesteramt, andere Leitungsformen etc gewünscht, doch ein hierarchischer Machtapparat hat – wie dies auch für andere gesellschaftliche Formate gilt – immer starke Verharrungskräfte. Vielleicht gilt hier auch: der Prophet vermag im eigenen Umkreis oft nicht viel auszurichten, doch draußen ist seine Stimme wichtig – weil sie denen, die sich mächtig wähnen, ins Gewissen redet.
In diesem Sinne blicke ich dankbar auf die prophetische Stimme von Papst Franziskus zurück und hoffe, dass sie in uns allen nachklingt.
Anita Zucketto-Debour
Foto von Nelson Rodz auf Unsplash