mentorat aachenMentorat für Lehramtsstudierende der Katholischen Theologie an der RWTH Aachen

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Ein gutes Beispiel

Aachens Bürgermeisterin Hilde Scheidt hat vor einer Woche von Bischof Heinrich Mussinghoff in einem offenen Brief gefordert, das „Engagement der katholischen Kirche bei der Unterbringung von Flüchtlingen im Bistum Aachen zu verstärken.“

Ein wenig Recherche in den Aachenern Pfarren zeigt: Es gibt ganz viele Christen, die sich in unserer Stadt ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren. Wohnraum hingegen gibt es zu wenig, doch es gibt zugleich auch keinen Leerstand. Das Bistum und die Gemeinden suchen gerade nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten. Schwester Johanna von den Aachner Elisabethinnen zeigt in ihrem Leserbrief auf, was ihr Orden schon tut, weil die Orden pauschal auch in dem Brief von Hilde Scheidt angegriffen wurden.

Wir finden, dies ein gutes Beispiel dafür ist, wie man sich engagiert. Zugleich ist es auch eine Argumentationshilfe gegenüber Pauschalunterstellungen.

Bürgermeisterin Hilde Scheidt wählt das Medium eines offenen Briefes, um in recht polarisierender Art und Weise Bischof Heinrich Mussinghoff aufzufordern, „klare Worte auch…an die Orden zu richten mit dem Ziel, Wohnraum bereitzustellen.“

Um den Bischof, die Orden und auch sonst – wie sie meint – säumige Katholiken – auf Trab zu bringen, erinnert sie an Worte und Taten Papst Franziskus‘. Darauf möchte ich in Vertretung meiner 28 Mitschwestern hier erwidern.

Es ist nicht richtig, dass Apelle nötig sind, um uns an das Evangelium zu erinnern. Wir pflegen regen Austausch und Gespräche mit der Not der fliehenden Menschen. Wir überlegen – seit Monaten (und auch im März d.J. mit Bischof Mussinghoff), wie wir helfen können. Wir haben hohe Ideale, müssen aber auch den Realitäten Rechnung tragen. Realität ist: 23 Schwestern sind über 70, ja bis 94 Jahre alt.

Realität ist: Wir bringen ständig Personen unter, die bei uns leben, ohne dass die Öffentlichkeit davon viel mit bekommt: den obdachlosen „Wirtschaftsflüchtling“ aus Nordamerika, der aus Belgien stammt und in den USA im Alter keinerlei soziale Absicherung hat. Die 29-jährige Mutter mit der 9-jährigen Tochter aus Nigeria, die nach einem Wohnungsbrand in das Obdachlosenasyl sollte. Die Polin, die sich aus dem Prostituiertenmilieu verabschiedet und übergangsweise bei uns wohnt. Die Obdachlose, die von ihrem Freund, der ihr eine Wohnmöglichkeit anbot, missbraucht wurde. Die Schwangere, deren Wohnung nach Wasserschaden unbewohnbar ist, und die alleine nicht renovieren kann. Die Afroamerikanerin, die sich auf wilde Versprechungen hin nach Deutschland aufgemacht hatte, und nun den Rückflug nicht bezahlen kann. Das rumänische Paar, deren Säugling in Obhut des Jungendamtes genommen werden sollte, wenn seine Eltern keine Bleibe nachweisen konnten …

Alles Menschen, die ohne viel Aufhebens nur in den letzten zwei Jahren monatelang bei uns lebten. Und für deren Unterkunft und Verpflegung wir so gut wie keine Unterstützung bekamen – und wenn, dann von der Pfarrcaritas Aachener katholischer Gemeinden. Menschen, die wir in unserem Kloster unterbringen, und die von Schwestern betreut werden, die vom Alter her ihre Mütter und Großmütter sein könnten. Schwestern, die auch mit 75 und mehr Jahren noch einen vollen Arbeitstag haben.

Realität ist: täglich bekommen bei uns Obdachlose und andere Bedürftige eine warme Mittagsmahlzeit. Die Schwester, die das Essen ausgibt, ist 80 Jahre alt, eine 82jährige Schwester hilft bei der Speisenzubereitung.

Ja, und alles das geht nur durch die Unterstützung des Klosterpersonals, ob in Hauswirtschaft, Küche oder Haustechnik und Garten. Menschen, die mit uns all das tragen, von denen mehr als die Hälfte selbst gesundheitlich angeschlagen sind, die trotzdem arbeiten, Steuern zahlen und das alles mit ermöglichen. Die sich nicht zu schade sind, Möbel zu verrücken, weil die ver-rückten Schwestern wieder mal ein Zimmer leer stampfen, um jemanden unterzubringen.

Realität ist: unsere Schwestern bekommen rund 220 € Rente. Wir haben keine Goldschätze vergraben, wir besitzen keine anderen wertvollen Grundstücke oder Häuser. Die arbeitsfähigen Schwestern leisten alle bis an die Grenze des Vertretbaren.

Realität ist: Wir haben im Mutterhaus einen Gebäudeteil an Mitbewohner vermietet. Dieses „Wohnen im Kloster“ hilft unserer Gemeinschaft, am Leben zu bleiben, ohne der Gesellschaft zur Last zu fallen. Diese Mitbewohner tragen auch die karitativen und seelsorglichen Dienste unserer Gemeinschaft mit, durch ihre persönliche Unterstützung, durch ihr Wohlwollen, durch ihre wortlose Zuneigung zu uns Schwestern. Sie bestätigen uns, dass wir eine konstruktive Rolle in ihrem Leben spielen. Sie stehen uns bei, wenn wir ihnen die oben geschilderten Gäste zumuten, die ja nicht nur mit uns Schwestern, sondern auch mit den Mietern das Haus teilen!

Wir haben bereits im Spätherbst 2014 unsere einzige eigene Immobile, nämlich genau dieses Mutterhaus unserer Ordensgemeinschaft, dem Sozialamtsleiter, Herrn Heinrich Emonts, vorgestellt. Leider war das, was wir im Elisabethkloster anbieten können, definitiv nicht zur Unterbringung von Flüchtlingen geeignet. Wir haben keine leer stehenden Gebäude. Wenn Frau Bürgermeisterin Scheidt um ein solches Gebäude bei einer Aachener Ordensgemeinschaft weiß, warum spricht sie dann diese Gemeinschaft nicht an? Sollten nicht alle gesellschaftlichen Kräfte mit gutem Willen zusammenarbeiten, um den Zu-uns-Kommenden eine Bleibe zu schaffen? Was sollen diese Auslassungen, die dem Gemeinwohl nicht dienlich sind, sondern Kräfte lähmen?

Das, was man unserem Bischof in Sachen Karmel Zweifall zu Unrecht nachgesagt hat (nämlich dass er hinter der Immobile eines Orden her ist), das soll er jetzt mit dem Segen einer Grünen-Politikerin tun? „Klöster enteignen“ das hatten wir schon mal: 1941 wurde unser Mutterhaus von der Waffen-SS und der GESTAPO beschlagnahmt, ab 1944 war unsere Klosterkirche Flüchtlingslager. Wir haben also Erfahrung in 393 Jahren Aachener Geschichte und wir sind immer noch bereit, uns zur Verfügung zu stellen. Wie wäre es, mit uns nach Lösungen zu suchen, statt wie Grünen-Geschäftsführer H. Ludwig zu behaupten, es werde keine Verantwortung übernommen?

Mit freundlichen Grüßen
Schwester M. Johanna