mentorat aachenMentorat für Lehramtsstudierende der Katholischen Theologie an der RWTH Aachen

Aktuelles*

Neuigkeiten und Ankündigungen rund um das Mentorat Aachen.

Statement unserer Periti zu aktuellen Auseinandersetzungen in der katholischen Kirche

Foto: Juliana Romao/unsplash

Anlässlich des Sommersemestereröffnungsgottesdienstes haben wir uns mit der Tageslesung Apg 5,27-33 auseinandergesetzt und hier evidente Parallelen zur Situation der Kirche von heute festgestellt:

Lk berichtet davon, dass die Jünger Jesu in Jerusalem in Konflikt geraten mit der religiösen Hierarchie, hier mit dem Hohen Rat. Er baut in seiner Erzählung zwei klare Gegenpole auf, die Apostel auf der einen und die Hohepriester auf der anderen Seite:

Die Hohepriester beanspruchen die religiöse Hierarchisierung für sich: sie sprechen sich die Deutungshoheit über die Aussagen Gottes zu, indem sie die irdische Gerichtsbarkeit lenken; sie lassen die Apostel verhaften, weil sie in Jesu Namen weitergelehrt haben.

Petrus hingegen antwortet, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen. Die Verkündigung der Botschaft Jesu sei also Gottes Wille. Die Autorität der Apostel wird zudem dadurch von Lk betont, dass sie durch den Heiligen Geist gestärkt sind, also eine weitaus höhere Legitimation erfahren als die Hohepriester. Die Reaktion der Hohepriester zeigt, dass man die Apostel nur aufhalten kann, indem man sie mundtot macht, sie umbringt.

Die Hohepriester legen außerdem einen Gott der Rache zugrunde. Indem sie sagen, dass die Jünger „das Blut dieses Menschen über sie bringen wollen“, erkennen sie mit dem Zitat aus dem Buch der Richter an, dass die Jünger in der Lage sind, Gott zu bewegen das Blut des ermordeten Jesu über die Mörder, den Hohen Rat, zu bringen. Das ist ein indirektes Schuldeingeständnis der Hohepriester für die Tötung Jesu, dessen Namen sie nicht einmal nennen.

Petrus betont, dass Gott Jesus eben nicht als Rache geschickt hat, wie die Hohepriester unterstellen, sondern als Anführer und Retter (soter) für Umkehr und Vergebung. Mit Jesus verlieren sie ihre Autorität und ihr Privileg der Sündenvergebung wird infrage gestellt.

Auf der einen Seite steht die geistgewirkte Autorität der Botschaft Jesu und auf der anderen Seite steht die Amtsautorität der Tradition, die versucht mundtot zu machen, wegzusperren und Angst zu verbreiten. Einfache, theologische Lai:innen fordern fromme, theologisch ausgebildete Männer auf, ihre Lehre zu überdenken.

In der Kirchengeschichte setzt sich der Konflikt fort. Wen alles hat die Amtsautorität versucht mundtot zu machen, wenn sie infrage gestellt wurde?

Hildegard von Bingen als weibliche Theologin.
Galileo Galilei, der Wissenschaft und Glaube zusammenbringen wollte.
Franz von Assisi, der mit seiner asketischen Verkündigung ohne Weihe nicht dem entsprach, was sich die Kirche von einem Vertreter vorstellte.
Therese von Lisieux, die Bildung für Frauen stark machte.
Martin Luther, der mit seiner Kirchenkritik eine Kirchenspaltung auslöste.
Eugen Drewermann, der Zweifel an der biologischen Jungfrauengeburt äußerte.
Uta Ranke-Heinemann, die klare Worte zum Thema des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche fand.
Hans Küng, dem u.a. für die Kritik am Unfehlbarkeitsdogma die Lehrerlaubnis entzogen wurde.
Leonardo Boff, der die Kirchenhierarchie kritisierte.

Und viele mehr.

Heute sieht die römische Glaubenskongregation – Nachfolgeinstitution der Inquisition – den synodalen Prozess kritisch, der angestoßen wurde durch das Zentralkomitee der Deutschen Katholik:innen und die deutsche Bischofskonferenz. Regelmäßig erhebt die Glaubenskongregation Einwände gegen den synodalen Prozess in Bezug auf die kirchliche Leitung oder die Sexualmoral der katholischen Kirche, zuletzt durch das Verbot der Segnungen von homosexuellen Paaren.

Viele Professor:innen, einige Bischöfe, viele Priester und pastorale Mitarbeiter:innen greifen nun genau an dieser Stelle auf das Petruswort zurück: wir müssen Gott, der alle Menschen liebt, mehr gehorchen als in diesem Fall der römischen Glaubenskongregation. Das sagen auch die 2.600 unterzeichnenden Priester und pastoralen Mitarbeiter*innen mit der Aktion #mehrSegen. Die Parallelität zu der Perikope aus der Apostelgeschichte ist evident. Sie kann uns bis heute Mut machen, das Unrecht von Herrschenden anzuprangern, ihren Zorn zu ertragen und die Öffentlichkeit als „Waffe der Gerechtigkeit“ einzusetzen.

Und wie?

Mir machen die Aktivist:innen von Maria 2.0 Mut, die z. B. durch ihren Thesenanschlag und auch ihre ganze Bewegung für Gleichberechtigung, für die Verteilung von Macht, für die offene Aufklärung von sexualisierter Gewalt, für wertschätzende Anerkennung von selbstbestimmter achtsamer Sexualität und Partnerschaft, für transparentes und nachhaltiges Wirtschaften und für das Einstehen für Mensch, Gesellschaft und Umwelt stehen. Der breite Zuspruch und die Solidarität mit der Bewegung zeigt, mit welchen Themen Katholik:innen wirklich übereinstimmen.

Auch das aktive Mitwirken der Verbände, das mir besonders durch den Widerspruch zum Verbot der Segnung homosexueller Paare aufgefallen ist, macht mir Mut. Die Jugend nimmt öffentlich klar Stellung und zeigt, was es für die Zukunft der Kirche braucht: eine offene Haltung gegenüber allen Menschen, die zur Kirche dazugehören möchten. Ohne Ausschluss, Diskriminierung oder Verweigerungen von Seiten der Amtskirche.

Und auch ich möchte Offenheit und Toleranz ausstrahlen und mich klar gegenüber Menschen, besonders gegenüber jungen Menschen, äußern, z.B. als angehende Religionslehrerin. Ich möchte mir keine Grenzen setzen lassen von einer Kirche, die intolerant ist, diskriminiert und verletzt.

Ich möchte die Kirche und mich selbst kritisch hinterfragen, um jeder Art von Diskriminierung, sei es aufgrund von Geschlecht, Sexualität oder anderem, aktiv entgegenzuwirken.

Besonders wichtig ist es mir in meinem Umfeld, im Gespräch mit Freund:innen, Bekannten, Familie klar Stellung zu beziehen gegen Homophobie, Intoleranzen und sozialen Ausschluss jeder Art; und das als Teil der katholischen Kirche.

Wir können Zeichen setzen, die auch öffentlich wirksam sind.
So ist auch Gottes Zusage gegenüber Abraham aktuell: sie bedeutet Segen für uns alle, der auch unabhängig von Institutionen gilt.
Denn: Mein Gott diskriminiert nicht.