mentorat aachenMentorat für Lehramtsstudierende der Katholischen Theologie an der RWTH Aachen

Aktuelles*

Neuigkeiten und Ankündigungen rund um das Mentorat Aachen.

Sagen wir NEIN zu Strukturen, die verletzend und diskriminierend sind!

Foto: Nick Shandra/Unsplash

Als katholische Religionslehrerin und Leiterin des Mentorates Aachen, die kirchlicherseits angehende Religionslehrer*innen während ihren Studienzeit begleitet, bin ich fassungslos über die letzte Verlautbarung der römischen Glaubenskongregation, die ein klares Verbot ausspricht gegenüber Segnungen von homosexuellen Paaren.

Zweierlei möchte ich an dieser Stelle dazu sagen:

Zum einen möchte ich mich entschuldigen immer noch Mitglied einer Institution zu sein, die Menschen sexuell missbraucht, diskriminiert und bevormundet. In meiner über dreißigjährigen Dienstzeit als Gemeinde- bzw. Pastoralreferentin im Bistum Aachen sind mir immer wieder Menschen begegnet, die als gläubige Katholik*innen schwer verletzt worden sind durch die Amtskirche: wiederverheiratet Geschiedene; konfessionsverschiedene Ehepartner; sexuell missbrauchte Frauen; homosexuelle Paare; Priester, die in einer heimlichen Beziehung leben. Ich schäme mich ob der Doppelmoral unserer Amtskirche und hatte gehofft – schon 2010 als Dank Pater Mertes der sexuelle Missbrauch innerhalb der Kirche aufgedeckt wurde – dass sich etwas ändern würde, dass die Kirche reformierbar sei. Im Augenblick sieht es  – von Seiten der römischen Leitung – nicht danach aus.

Zum anderen trage ich als getaufte Katholikin Verantwortung für die glaubwürdige Weitergabe des  Glaubens. In der Schule ist es mir in diesem Kontext ein Anliegen, den Glauben vor der Vernunft rechtfertigen zu können und mich für Respekt und Menschenwürde einzusetzen. Selbstverständlich habe ich in diesem Kontext mit dem Thema Homosexualität und Transgender zu tun und ich sehe es als meine Aufgabe an, den Heranwachsenden Mut zu machen ihre Sexualität anzunehmen und sie mit Freude zu leben. In Zeiten von Verschwörungstheorien und zunehmenden Fundamentalismen ist es mir ein zentrales Anliegen eine Gotteserfahrung zu vermitteln, die frei und stark macht. Frei und stark zu sein aus dem Glauben heraus bedeutet für mich persönlich, nein zu sagen zu patriarchalen Strukturen, die Sexismus, Rassismus und Homophobie ermöglichen. Das ist zugleich mein erklärtes Erziehungsziel. Glücklich macht es mich, wenn dies gelingt und Schüler*innen hiervon Zeugnis ablegen. Dazu möchte ich hier ein Beispiel geben. Am Ende einer Reihe zum Thema “Jesu Botschaft zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ schreibt eine 9Klässlerin:

Mein eigenes Thesenpapier

Erkennt eure Fehler

In Zukunft würde ich mir wünschen, dass die Kirche sich zu ihren eigenen Fehlern bekennt und vor allem versucht die eigenen Prinzipien zu ändern. So zum Beispiel bezogen auf die Wissenschaft. So zum Beispiel, wenn Tatsachen bewiesen sind, diese zu akzeptieren und sich selbst dem anzupassen. Auch die Wissenschaft hat über die Jahre immer Fehler gemacht und falsche Vermutungen aufgestellt. Doch sobald etwas anderes bewiesen wurde, ändert sie ihre Meinung stetig, um dem neusten Stand zu entsprechen. Die Kirche bleibt gerne bei dem, „was wir schon kennen und seit immer so machen“, auch wenn es offensichtlich falsch ist. Deswegen: Keiner hat immer Recht. Und das ist so vollkommen in Ordnung – vermutlich sogar gut. Doch die Kunst ist es umzudenken. Und das wünsche ich mir auch von der Kirche.

Gleichberechtigung

Vor etwas mehr als hundert Jahren ist in Deutschland das Wahlrecht für Frauen eingeführt worden. Und auch in den meisten anderen Bereichen sind Frauen gleichgestellt worden. Doch in einem großen Punkt sind Frauen immer noch benachteiligt. Und zwar in der Kirche. Ich darf wegen meines Geschlechtes viele Aufgaben nicht übernehmen. Natürlich gibt es auch andere Bereiche, in denen ich noch einen Nachteil habe (z.B. Gender Pay Gap), aber ich denke, da sich Jesus selbst gegen Benachteiligung bestimmter Personengruppen ausgesprochen hat, sollte wir es als seine Glaubensgemeinde ihm gleichtun. Vielmehr: Als ein Ort der Hoffnung sollte die Kirche, vor allen anderen, die ersten Schritte machen. Doch das passiert momentan nicht, bzw. nur sehr langsam. In der Zukunft wird es dazu kommen, dass immer mehr Frauen aus der Kirche austreten werden, wenn sich an der jetzigen Situation nichts ändert. Deswegen: Tun wir uns selbst einen Gefallen und lasst uns die Personen zum Glauben und nicht von ihm wegführen, indem wir Frauen (wie es die evangelische Kirche auch schon geschafft hat) die Rechte geben, die ihnen zustehen. Eigentlich traurig, dass wir darüber überhaupt noch diskutieren müssen.

Akzeptanz und Toleranz

Die letzte Sache, die mich momentan noch sehr stört, ist dass es der katholischen Kirche, bei Weitem nicht bei Allem, aber bei Vielem an Akzeptanz und Toleranz fehlt. Die Kirche spricht sich zum Beispiel offen gegen Homosexualität aus. Zumindest toleriert sie diese größtenteils nicht in den eigenen Reihen. Und an dieser Stelle möchte ich mich nochmal auf einen Satzteil aus dem letzten Punkt beziehen. „Tun wir uns selbst einen Gefallen und lasst uns die Personen zum Glauben und nicht von ihm wegführen.“ Auch hier gilt: Wenn wir diese Personen nicht tolerieren, dann führt das auf lange Sicht nur dazu, dass immer mehr Personen aus der Kirche austreten. Dabei ist es nicht nur unser Job, sondern es liegt in unserem eigenen Interesse, in jedem Menschen den Glauben zu stärken. Und dies nicht aufgrund von Herkunft, Sexualität, Geschlechtsidentität oder Aussehen auszuschließen, obwohl diese Merkmale für Gott ja nicht wichtig seien. Und unabhängig davon gebührt jedem Menschen Respekt, den wir ihm erbringen müssen.

Ein solches Zeugnis macht mir Mut!
Bleiben wir also als Religionslehrer*innen Zeug*innen eines Glaubens, der frei macht und sagen wir NEIN zu Strukturen, die klein und mundtot machen wollen!

Anita Zucketto-Debour