In der Herausforderung entfaltete Clara ihr Profil
Clara Fey und ihre Gemeinschaft der „Schwestern vom armen Kind Jesus“
Die soziale Not weiter klar im Blick, war im Mai 1869 der entscheidende Schritt getan: die Gründung der Gemeinschaft der „Schwestern vom armen Kind Jesus“ in Aachen mit päpstlichem Segen. Das „Kloster Modell“ vom Glauben getragen, ehelos – also ungebunden zu leben, gehorsam – also dem eigenen Versprechen verpflichtet zu leben, arm – also nicht vom Besitz defi niert zu leben, kam an, weckte Interesse. Der Grund dafür war einerseits der beißenden sozialen Not, besonders spürbar in den Städten mit fortschreitender Industrialisierung, etwas entgegen zu setzen. Andrerseits war die Klarheit dieses Lebensmodells attraktiv und überzeugte durch konkretes, sinnstiftendes Handeln. Diese Kombination bewegte besonders Frauen und begann Lebenswege zu prägen. Bis zum Ausbruch des Kulturkampfes im Jahre 1872 begeisterten sich 600 Frauen für diese Gemeinschaft und ein Leben im Kloster.
Es entstanden fast 30 verschieden große Niederlassungen im deutschsprachigen Raum. Das konkrete Handeln der Ordensschwestern entfaltete sich primär in Kinder- und Jugendheimen, damals noch Waisenhäuser genannt, sowie in Kindergärten und Schulen. Der Kulturkampf in Preußen eskalierte von 1871 bis 1878 unter Reichskanzler Otto von Bismarck, hatte aber vorher wie nachher bleibenden Zündstoff bezüglich der Klärung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat. Es ging um die Frage nach den gesellschaftsgestaltenden Kräften, deren Präsenz, Einfl ussnahme, und Machtausübung. Im Juni 1872 mussten nach Ministerialerlass alle Ordensschwestern die öffentlichen Schulen verlassen und wenig später wurden ihre Klöster verboten.
Entsprechend wurden in Preußen 18 Klöster aufgelöst aber sieben Häuser im Ausland neu gegründet. Das Mutterhaus wurde von der Jakobstraße in Aachen nach Simpelfeld grenznah in die Niederlande verlegt. Nur das Kloster der Schwestern in Burtscheid blieb offen. Mit Sondergenehmigung durften hier die kranken Schwestern gepflegt werden.
Es ist schon krass, wenn eine mit viel Engagement gerade gegründete Ordensgemeinschaft von den offiziellen Vertretern der eigenen Gesellschaft, ihren Politikern verboten wurde, und die Idee, Menschen zu helfen, flüchten und das Heimatland verlassen musste. Aber Clara, die von ihren Mitschwestern Mutter genannt wurde, gab nicht auf. Sie wuchs an dieser scheinbaren Niederlage, mehr noch, diese Vertreibung stärkte sie in ihrem Gottvertrauen, aber stellte sie in stillen Stunden auch vor die Frage, ob ihr Gottvertrauen auch in die Zukunft hinein tragen würde?
Zeitzeugen bestätigten Clara eine starke Ausstrahlung, manchmal auch eine starke Anziehungskraft – nicht nur weil sie schön war, sondern auch einfach und ungezwungen. Ein Blick in das Porzellanregal der Fabrikantenfamilie Fey belegt einen einfachen Lebensstil, den Clara als Ordensgründerin noch auf den Punkt brachte. Clara war neben ihrer Arbeit vielseitig interessiert, so an der Kunst und an allem was innerlich oder äußerlich harmonieorientiert war. Ihre Personalführung in der Gemeinschaft war geprägt von einer intensiven Zuwendungsbereitschaft und gleichzeitig von Diskretion, von Feinfühligkeit aber gleichzeitig auch der klaren Rede. Konnte man ihr auch zu Recht nachsagen, sie sei zu sanft, zu anpassungsfähig, so ließ sie dennoch nicht bei anderen denken, sondern sie dachte selbst. Clara entwickelte sich – auch unter Mühen – zu einer „legendären“ Ordensgründerin ihrer Zeit, nicht auch zuletzt dadurch, dass sie eigene Fehler in den Blick nahm und an und mit ihnen lernte.
Von Christoph Stender. Vierter Teil einer siebenteiligen Serie über die „Schwestern vom armen Kind Jesus“, anlässlich der Überführung der sterblichen Reste deren Gründerin Schwester Clara Fey im September 2012, von Simpelfeld (NL) in ihre Heimat nach Aachen. Erschienen in: Burtscheid aktuell, Ausgabe 10, November 2012. Fotos: Daniel Karmann